Stefan Sebök und der Meersalat aus Wallerstädten

Stefan’s Algenzucht in Wallerstädten

Ulva lactuca ist die wissenschaftliche Bezeichnung der Algenart, die seit Sommer dieses Jahres an der Biogasanlage in Wallerstädten kultiviert wird. In einem zweijährigen Forschungsprojekt der Uni Hamburg unter Leitung von Professor Dr. Dieter Hanelt soll die Verwertung von „Rest- und Rohstoffen“, die an einer Biogasanlage anfallen, erforscht werden.

Unter dem Namen Meersalat oder Meerlattich ist die Algenart schon eher bekannt. Stefan Sebök betreut dieses drittmittelgeförderte Forschungsprojekt. Geschrieben hat der Biologe das Konzept seit April 2018, im Juni wurde es genehmigt. Seit September pflegt er erste Algen in Wallerstädten. Sebök ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Aquatische Ökophysiologie und Phykologie an der Uni Hamburg. An fünf Tagen die Woche lebt er in Wallerstädten, den Rest der Zeit bei seiner Familie in Potsdam.

Aufmerksam geworden ist er auf Wallerstädten durch das Projekt Food & Energy Campus, das Stefan Ruckelshaußen als Betreiber der Biogaslanlage zusammen mit einem Partner gegründet hat: Geschlossene Kreisläufe zur Produktion von regionalen Lebensmitteln ist dessen Ziel. Ruckelshaußen war von der Idee, Algen zu züchten, begeistert. Er selbst ist unter anderem Landwirt, der nach Naturland-Vorgaben Kräuter und Gemüse anbaut; ein Teil davon wird an der Biogasanlage getrocknet und kommt als Arzneikraut und Gewürz in den Handel. Ein dritter Partner im Bunde des Forschungsprojektes ist Palaterra als Hersteller von hochwertigen Bodensubstraten und Düngern in Anlehnung an die legendäre Terra Preta de Indio aus dem Amazonasgebiet.

Zurück zu den Algen: Der Meersalat ist in der Lage, sowohl in salzigem Meerwasser (vollmarin) als auch in Brackwasser (das dort entsteht wo beispielsweise ein Fluß ins Meer mündet und der Salzgehalt deutlich geringer ist) gut zu leben. Außerdem ist diese Algenart äußerst produktiv, also sie wächst bei guten Lebensbedingungen äußerst schnell.

In Wallerstädten lebt die Algenart in 2000 Liter fassenden, offenen Tanks mit aufgesalztem Süßwasser. Die Reststoffe Wärme, CO2 und flüssige Gärreste der Biogasanlage stellen quasi das Futter dar und die Lebensumstände nach. Heißt: Mit der in der Biogasanlage entstehenden Abwärme, die auch in kühle Luft umgewandelt werden kann, wird die Temperatur des Meeres konstant gehalten. Im Winter wärmt sie, im Sommer kühlt sie. Das an der Biogasanlage entstehende CO2 nutzt die Alge als Kohlenstoffquelle. Aufbereitete Gärreste bekommt sie als Nährstoffgabe mittels einer Pumpe wohldosiert zugeführt. Eine weitere Pumpe imitiert den Wellengang des Meeres, wobei die Alge mal auf dem dunklen Boden liegt und mal an die helle Oberfläche gespült wird. Hier tankt sie Tageslicht, das durch handelsübliche LED- Fluter geliefert wird und elektronisch gesteuert einen natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus nachahmt.

Stefan Sebök begleitet das Projekt wissenschaftlich, tatkräftige Unterstützung bekommt er in Wallerstädten von Marco Nicosia. „Unser Ziel ist es, die Reststoffe zu verwerten und eine Algen-Bio-Masse zu bekommen, die wir als Nahrungs-, Futter- und Düngemittel sowie zur hochwertigen Protein- oder Ölgewinnung veredeln können“, so Sebök. Auch in der Kosmetik- und Pharmaindustrie könne diese Alge eingesetzt werden, ergänzt er. Mit Palaterra sei ein dritter Partner gefunden, der verschiedene Aufbereitungen der Alge als natürliches Bodensubstrat zur Verfügung stellen und als Düngemittel testen könne.

Derzeit stehen an der Biogasanlage zwei Tanks mit Algen, die Sebök von der Nordsee mitgebracht hat. Sein nahes Ziel ist es, die Zahl auf fünf zu erhöhen. Er testet aus, wann und unter welchen Umständen die Alge am produktivsten ist. Bis Juni 2020 hat er dafür in Wallerstädten Zeit.